Weihnachtszeit

Weihnachtsgeschichten  

  • Das schönste Fahrrad der Welt

    Das schönste Fahrrad der Welt 


    Das Jahr neigt sich dem Ende, die Tage werden kürzer. Weihnachtlicher Lichterglanz säumt die Straßen der Stadt. Es ist die Zeit, in der viele Wünsche und Träume in Erfüllung gehen. Es ist die Zeit, in der in jedem Fenster in jeder Wohnung und an jedem Haus weihnachtliche Dekorationen um die Wette leuchten. Auch die Schaufenster in der Stadt sind reichlich geschmückt und überall in den Straßen und Geschäften erklingen sanfte weihnachtliche Lieder. Männer in roten Gewändern mit weißen Bärten verteilen Gebäck und Süßigkeiten. Es ist auch die Zeit, in der Kinder Wunschzettel ans Christkind schreiben und sie, in der Hoffnung auf Erfüllung ihrer Träume, auf die Fensterbank legen. Steven Schmidt ist zwölf Jahre alt. Er glaubt nicht mehr an das Christkind. Aber dennoch erhofft er sich die Erfüllung seiner Wunschträume. Begeistert steht er in einem Geschäft und bewundert mit seiner Familie ein Mountainbike mit 24 Gängen. So ein tolles Fahrrad wünscht er sich zu Weihnachten. Und so viel Gänge wie dieses, muss es schon haben. Denn sein Freund Bernd bekommt auch eins, und das hat bestimmt 21 Gänge. Auffallend lange steht er vor dem Fahrrad und demonstriert somit seinen Wunschtraum. Aber auch seine Geschwister und seine Eltern haben Wünsche. Seine zwei Jahre ältere Schwester Anne möchte sich neu einkleiden, wie sie selbst immer sagt. Da ist natürlich das Beste gerade gut genug. Sie braucht diese Kleider für die Schule. Sein siebzehnjähriger Bruder Michael möchte einen neuen Drucker für seinen Computer. Ein Freund hat ihn neulich wegen seines völlig veralteten Druckers ganz schön hochgenommen. Vater braucht einen komplett eingerichteten Werkzeugkasten. Damit er nicht immer bei seinem Nachbarn Werkzeug ausleihen muss. Mutter möchte dieses Jahr Schmuck. Jedes Familienmitglied gibt deutlich zu verstehen was man sich dieses Jahr zu Weihnachten wünscht. So kommt es, dass diese Jahreszeit die Herzen der Familie Schmidt nicht nur mit Hoffnung und Freude, sondern auch mit Sorge erfüllt. Es sollte schon das richtige Geschenk zu Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum liegen. Die Großmutter allerdings, schaut dem Treiben nur lächelnd zu. Als sie noch ein Kind war, gab es nicht so tolle Dinge wie heute. Damals war Krieg in Deutschland. Die Menschen waren sehr arm. Sie konnten sich noch an den kleinen und einfachen Dingen des Lebens erfreuen. Großmutter wird nie vergessen, wie sie einmal zu Weihnachten ein paar Lackschuhe geschenkt bekam. Ihre Enkel können nicht verstehen, dass sie heute noch immer davon spricht. Einen Tag vor Heiligabend liegt Steven in seinem Bett und träumt von seinem Mountainbike mit 38 Gängen. Oder sollten es doch nur 24 sein? Na ja, denkt er, wenn es nur ein paar Gänge mehr hat als das neue Rad das Bernd bekommt. In dieser Nacht schlafen alle recht unruhig. Der Gedanke, dass sie etwas vergessen haben, lässt sie nicht so recht zur Ruhe kommen. Aber sie träumen auch von ihren Geschenken, die sie nun bald bekommen werden. 

    In Stevens Traum wird sein Fahrrad immer moderner und besser. Es steht vor ihm und er ist sicher; dies ist das beste Fahrrad der Welt. Steven steigt auf und fährt los. Doch das Fahrrad entwickelt plötzlich ein seltsames Eigenleben. Es lenkt wohin es will, und es regelt auch die Geschwindigkeit selbst. 

    "Was ist denn nun los?", schreit Steven. 

    "Hab' keine Angst", hört er jemanden sagen. "Ich will dir etwas zeigen." 

    Steven dreht sich um und traut seinen Augen nicht. Hinter ihm sitzt ein alter Mann mit einem langen weißen Bart, auf dem Gepäckträger. 

    "Wer bist du?", fragt Steven. 

    "Oh, ich bin der Weihnachtsmann", antwortet der Alte. 

    "Es gibt keinen Weihnachtsmann, und auch kein Christkind", antwortet Steven aufgeregt. "Die Geschenke kaufen immer meine Eltern." 

    Der Weihnachtsmann lacht und meint: "Ich schenke auch nur denen etwas, die meine Geschenke wirklich benötigen. Komm einfach mal mit und schau mir bei der Arbeit zu. Vielleicht verstehst du mich dann etwas besser." 

    Steven will abspringen, doch der Weihnachtsmann meint, dass das nichts nützt, denn ob er auf dem Sattel sitzt oder nicht, die Reise muss er so oder so mitmachen. Steven ist aufgeregt. Er will nach Hause. Ist das nun ein Traum, oder ist es Wirklichkeit. Seine Großmutter hat ihm einmal gesagt, dass in der Weihnachtszeit manchmal wunderliche Dinge geschehen. Er hat das immer nur für Spinnerei gehalten. Sollte vielleicht doch etwas Wahres dran sein? Das Fahrrad wird immer schneller. Die Landschaft verwandelt sich in ein Meer von Licht und Farben. Nach einiger Zeit kommt es zwischen weißen Wolken, irgendwo in einem anderen Universum, und in einer anderen Dimension, zum Stehen. 

    "Von hier aus kannst du die Erde auf eine Weise sehen, wie es keinem anderen Menschen zu Lebzeiten vergönnt war", meint der Alte. 

    Steven kann von hier aus alles sehen, was er will. Er schaut den Menschen zu, wie sie in den Geschäften umherlaufen, und die letzten Geschenke kaufen. Er steigt vom Fahrrad ab und setzt sich auf eine kleine Wolke. 

    "Ja, in dieser Zeit versorgen sich die Menschen selbst", meint der Weihnachtsmann mit leiser gedrückter Stimme. "Eigentlich habe ich ja nichts gegen Geschenke. Sie bereiten Freude, und sie machen das Fest zu etwas besonderem. Eigentlich hat die menschliche Strebsamkeit nur einen Sinn; die Menschen wollen alle nur geliebt und geachtet werden. Darin liegt auch der Sinn des Weihnachtsfestes. Es ist das Fest der Liebe und der Freude. Aber um Liebe empfinden zu können, muss man auch Liebe geben können. Wer Liebe geben kann, der kann auch das Weihnachtsfest richtig genießen." 

    Steven schaut den Alten fragend an. Er versteht ihn nicht so recht. Für ihn war Weihnachten immer mit einer unglaublichen Vorfreude an seine Geschenke verbunden. Etwas anderes kannte er bisher nicht. Also was meint der Alte bloß mit seinem Gerede? 

    "Ich verstehe nicht so ganz wie du das meinst, Weihnachtsmann", fragt Steven. 

    "Steig auf, ich zeig dir noch mehr, vielleicht verstehst du mich dann besser", befiehlt der Weihnachtsmann. 

    Steven folgt bereitwillig. Und noch einmal braust das Fahrrad, mit Steven auf dem Sattel und dem Alten auf dem Gepäckträger, davon. Steven kann wiederum nur Lichter und Farben erkennen. Nach einer Weile wird das Fahrrad wieder langsamer. Steven erkennt eine große weiße Villa mit einem ungeheuer großen und beeindruckend schönen Freizeitpark. Auch ein Swimmingpool und ein Zoo gehören dazu. 

    "Siehst du?", fragt der Alte. "Da unten lebt ein Junge in deinem Alter. Er hat alles, was er sich nur wünschen kann. Ich würde ihm gerne etwas schenken, doch er glaubt nicht an mich, also gibt es mich auch nicht. Und wenn es mich nicht gibt, kann ich ihm auch nichts schenken. Weihnachten ist für ihn kein besonderes Fest. Geschenke machen ihm keine Freude, und das schöne weihnachtliche Gefühl ist ihm fremd. Ich würde ihm gerne etwas schenken, wenn ich könnte." 

    "Was willst du ihm denn schenken?", fragt Steven neugierig. "Er hat doch schon alles. Und was meinst du mit weihnachtlichem Gefühl? Und was hat das mit den Geschenken zu tun? Und wieso gibt es Dich nicht wenn man nicht an Dich glaubt." 

    Doch der Alte antwortet nicht. Steven sieht, wie ein Butler den Weihnachtsbaum schmückt. Für die Familie ist das nichts besonderes. Die paar albernen Kugeln können ihre Herzen nicht erfreuen. Ein paar Straßen weiter erkennt er eine Familie, die seine eigene sein könnte. Steven schaut ihnen bei den Vorbereitungen zu. Sie schmücken den Baum selber, aber in ihren Gesichtern ist kaum Freude zu erkennen. Man sorgt sich darum, dass der Weihnachtsbaum vielleicht nicht schön genug ist, und auch der Baumschmuck wird dauernd verändert. Kritisch steht die Familie vor dem Baum und berät, was man noch besser machen kann. Diese Familie ist zwar nicht reich, aber auch bei ihnen fehlt das weihnachtliche Gefühl, das der Weihnachtsmann Steven vermitteln will. Es ist, wie in seiner eigenen Familie. Niemand erinnert sich an die Geschichte, die dieses Fest erzählen will. Steven spürt immer deutlicher, was der Weihnachtsmann ihm vermitteln möchte. Der Weihnachtsmann redet nicht mehr viel. Das ist auch kaum nötig, denn Steven beginnt zu begreift was dort unten auf der Erde vor sich geht. Das Fahrrad wird wieder schneller. Die Landschaft um ihn herum verwandelt sich abermals. Erneut rast er mit dem Fahrrad, in ungeheurer Geschwindigkeit, durch das unbekannte Universum. Dann kommt es, wie zuvor, in einer unbekannten Gegend zum Stehen. 

    "Jetzt kannst du sehen wie ich schenken werde", meint der Weihnachtsmann. 

    Steven wundert sich. Der Alte hat doch gar keine Geschenke dabei. 

    "Was ist das Kostbarste auf der Welt?", fragt der Alte geheimnisvoll. 

    "Das Kostbarste", wiederholt Steven fragend. Er überlegt kurz, dann antwortet er: "Na Gold, Silber und Edelsteine natürlich."

     "Oh ja", lacht der Weihnachtsmann. "Für euch Menschen ist das Kostbarste immer der Reichtum. Aber was ist für Gott das Kostbarste? Ich will es dir sagen. Es gibt sehr viel Gold und Silber auf der Welt, doch wie viele reine Seelen gibt es? Es ist egal ob du in deinem Leben ein Schwarzer warst oder ein Weißer, ein Chinese oder ein Indianer, ein Eskimo oder ein Buschmann. Alle Menschen sind gleich, ob arm oder reich. Du findest überall gute oder schlechte Menschen. Hier jedenfalls gibt es eine Familie die ihren Glauben noch nicht verloren hat. Sie kann noch zuhören, wenn Geschichten erzählt werden."

    Steven schaut erneut einer Familie bei den Weihnachtsvorbereitungen zu. Der Vater geht in den Keller des Hauses und kommt wenig später mit einer Kiste wieder rauf. Die vier Kinder freuen sich sehr, denn nun wird der wunderschöne Weihnachtsschmuck ausgepackt. Sie behandeln ihn wie einen kostbaren Schatz den sie gerade irgendwo gefunden haben. Die Kinder erfreuten sich noch an duftenden Gebäck, Bratäpfeln oder Mutters Geschichten, die sie in der Adventszeit den Kindern immer erzählte. In ihren Gesichtern ist große Hoffnung, Glaube und Freude zu erkennen. Sie glauben an mehr als an das, was sie sehen können. Für sie ist Weihnachten noch ein Fest der Liebe. Sie singen mit großer Freude und Ehrfurcht ihre Weihnachtslieder. Dem reichen verwöhnten Jungen gingen sie nur auf die Nerven, und bei der anderen Familie war ein Weihnachtslied am Heiligabend Pflicht. Vorher durfte man nicht an die Geschenke rann. Und so leierte man schnell ein Lied runter. Dann blieb zum Nachdenken keine Zeit mehr. Hier ist das anders, man singt die Lieder noch aus voller Überzeugung und mit großer Freude. Steven sieht, wie ein kleines Mädchen sich ungeheuer über ein paar weiße Lackschuhe freut, die es geschenkt bekommen hat. Er schaut das kleine Mädchen mit großen Augen an. Der Weihnachtsmann bestätigt schließlich seine Vermutung. Er sieht seine eigene Großmutter als diese noch ein Kind war, und er fühlt ihre Freude über das Geschenk. Andächtig sitzen die Kinder vor dem Weihnachtsbaum und singen mit ihren Eltern Weihnachtslieder. Nach der Bescherung singt bei uns keiner mehr, denkt Steven. Nun sieht er auch, was der Weihnachtsmann ihnen schenkt. Er segnet jeden in der Familie und sogar das Haus in dem sie Leben. Dann meinte er, dass das die einzigen Geschenke sind, die er bei sich trägt.

     "Wo fahren wir jetzt hin?", will Steven wissen, und der Weihnachtsmann antwortet: 

    "Zu dir nach Hause, mir tut der Hintern weh. Weißt du, ich bin sonst immer mit einem Schlitten unterwegs. Der ist wesentlich bequemer als der Gepäckträger deines Fahrrades." 

    Steven denkt nach. Er traut sich nicht zu fragen. Sollte dieses Fahrrad wirklich sein Weihnachtsgeschenk sein. Nein, er fragt lieber nicht. Vielleicht wäre der nette alte Mann dann von ihm enttäuscht. Plötzlich wird Steven von jemanden gerüttelt. 


    "Willst du nicht aufstehen du Schlafmütze?", fragt die Mutter. "Heute ist Heiligabend und es ist schon halb Zehn." 

    Es war nur ein Traum, denkt er. Beim Frühstück erzählt die Großmutter wieder von ihren Lackschuhen, die sie einmal geschenkt bekam, und die sie heute noch hat. Niemand nimmt die alte Frau noch ernst, doch Steven fragt, ob er sie einmal sehen kann. Es ist das erste mal, dass jemand nach den Lackschuhen fragt. Die Großmutter rennt, so schnell sie noch kann, auf den Dachboden. Steven folgt ihr und beobachtet, wie sie andächtig eine Kiste öffnet. Dort hat sie all ihre Erinnerungen an frühere Zeiten aufbewahrt. Die Schuhe sind in Tücher gewickelt. Steven beobachtet wie seine Großmutter sie vorsichtig enthüllt. Es scheinen die gleichen Schuhe zu sein, wie er sie in seinem Traum sah. Als er ihr von seinem Traum erzählt, meint sie mit geheimnisvoller Stimme: 

    "Kleine Wunder geschehen oft, ohne dass wir sie als solche erkennen." 

    Der Heiligabend verläuft so wie immer. Keiner verschwendet auch nur einen Gedanken an das Wesentliche dieses Festes. Dazu fehlt auch in Stevens Familie die Zeit. Vater ist ganz und gar mit seinem reich ausgestatteten Werkzeugkoffer beschäftigt. Jedes einzelne Werkzeug nimmt er liebevoll in die Hand und prüft es auf dessen Funktionstüchtigkeit. Mutters Kollier ist wunderschön. Sie sagt dauernd, dass Vater doch nicht so viel Geld hätte ausgeben müssen. Obwohl sie doch recht froh ist, dass er es doch getan hat. Anne prüft kritisch ihre neuen Kleider. Hoffentlich reicht das aus um ihre Freundinnen in der Schule zu beeindrucken. Sie eilt in ihr Zimmer um die neuen Sachen anzuprobieren. Wenn sie nicht passen, müssen sie nach Weihnachten umgetauscht werden. Michael ist voll ganz in sein Druckerhandbuch vertieft. Seine einzige Sorge ist jetzt diesen Drucker anzuschließen und ihn zum laufen zu bringen. Auch er taucht erst wieder auf, als die erste Erfolgsmeldung aus seinem neuen Gerät erscheint. Als alle Sorgen und Nöte beseitigt und besprochen sind, begibt man sich an den reich gedeckten Tisch, auf dem ein Gänsebraten darauf wartet verspeist zu werden. Ein Dankeschön war eigentlich von keinem so richtig zu hören. Warum auch? Es ist doch Weihnachten. Da muss man doch reich beschenkt werden. Steven schaut dem weihnachtlichen Treiben nachdenklich zu. Großmutter sitzt still und lächelnd in einer Ecke. Woran mag sie jetzt wohl denken? Der Weihnachtsmann hatte recht; auch in seiner Familie denkt niemand an die Geschichte, die dieses Fest zu erzählen hat, außer Großmutter vielleicht. Aber Steven freut sich natürlich trotzdem über sein Weihnachtsgeschenk. Das Mountainbike hat 21 Gänge und ist auch sonst recht schön. Es ist nicht mit dem zu vergleichen das er im Traum sah, aber er ist mehr als zufrieden. Am nächsten Morgen kommt sein Freund Bernd und zeigt ihm sein neues Rad. 

    He Steven", ruft er schon von weitem. "Mein neues Rad hat 18 Gänge, und wie viel hat deines?" 

    Steven schwindelt ein wenig. Der Weihnachtsmann ist bestimmt nicht böse darüber. 

    "Mein Rad hat auch 18 Gänge", meint er. 

    Bernd hat nie bemerkt, dass Steven geschwindelt hat. Er wundert sich nur, dass Steven sein Rad so sehr pflegt. 

    "Du hast das Rad bestimmt noch in 50 Jahren", meint Bernd verständnislos. 

    "Vielleicht hast du sogar recht", antwortet Steven geheimnisvoll und putzt weiter an seinem schönen neuen Rad. 


    Es ist für ihn das schönste Fahrrad der Welt. 


    Ende


  • Die seltsamen Träume eines coolen Jungen

    Die seltsamen Träume eines coolen Jungen. 


    „Deine Träume sind die Spiegel deiner Seele“, hörte Meike einen Mann sagen, als er mit ein paar Freunden eher gelangweilt über einen Weihnachtsmarkt schlenderte. 


    „Was hat der alte Spinner gesagt“, fragte Luca? 

    „Ach, irgendwas von Seele“, antwortete David lachend. „Aber schau mal was der für geile Computerspiele hat“, rief er begeistert und lockte die anderen an des Stand des Alten. 

    Ein Stand mit Computerspielen auf einem Weihnachtsmarkt war nun doch mehr als selten. Er hatte zwar noch andere Weihnachtsartikel, aber die kleine Gruppe cooler Jungs interessierte sich nur für die neuesten Kriegsspiele, die der Alte in einer kleinen Kiste nebenbei zum Verkauf anbot. 


    Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Einige Spiele hatten die Jungs schon. Andere waren ihnen neu. Die Weihnachtslieder, der Nikolaus das Christkind und der weihnachtlich reich geschmückte Markt, interessierten die Jungs weniger. 

    Meike war der Einzige der genügend Geld dabei hatte, um sich das neuste und beste Spiel zu kaufen. Er konnte es gar nicht erwarten es zuhause auszuprobieren. Am nächsten Tag wollte er es seinen Freunden zeigen. Aber zuvor wollte er es selbst einmal alleine testen. 


    Das Spiel war realistischer und besser in der Darstellung als alles was er bisher kannte. Hier wurde der Krieg in all seiner realen Brutalität glaubhaft und extrem genau dargestellt. 

    Aber irgendetwas war anders. Meike war hier kein Held, was er immer sein wollte. Er war ein Soldat wie jeder andere. Trotzdem fesselte ihn das Spiel. Er konnte einfach nicht aufhören. 


    Erschöpft und irgendwie ausgelaugt ging er schlafen. Doch auch in seinen Träumen spielte er Krieg. Die Erlebnisse des Tages spiegelten sich vermischt in seinen Träumen wieder. 

    An der Front tauchte plötzlich der Alte auf, von dem er das Spiel gekauft hatte. 


    „Sind das deine Träume, die dich glücklich machen“, fragte er ruhig und gelassen? 

    „Nein, nein, das ist doch nur ein Spiel. Das ist eine virtuelle Welt. Die ist doch nicht echt“, rief Meike ihm aufgeregt zu. „Ich reagiere mich doch nur damit ab. Ich brauche das, um mir den Stress von der Seele zu schaffen“, erklärte er weiter.

    „Du reagierst dich ab damit?“, lachte der Alte erstaunt. „Du verstehst gar nichts. Du reagierst dich nicht damit ab, du machst deinen Zorn nur noch größer als das Problem das dich belastet. Mit deinen Träumen formst du die Welt“, sprach er weiter. „Was du spielst, das träumst du. Was du träumst, das formt dich. Es formt deine Seele. Es formt dein Leben und dein Schicksal. Es entlastet dich nicht, es fördert nur deinen Zorn. Wenn du dich wirklich abreagieren würdest, würdest du mehr Lächeln und ruhiger werden. Statt dessen förderst Du jeden Tag deinen Zorn neu. Mag sein, dass du das nicht verstehst. Das verstehen auch nur sehr wenig Menschen. Sag mir Meike, magst du den Krieg in Wirklichkeit so gerne, wie hier oder im Spiel“, fragte der Alte weiter.

    „Nein, natürlich nicht“, antwortete Meike aufgeregt. „Ich finde Krieg in Wirklichkeit schrecklich.“


    „Nein, findest du nicht“, widersprach der Alte. „Wenn dir das Ausmaß des Krieges in all seiner Grausamkeit wirklich bewusst wäre, würdest du ihn verachten. Selbst Menschen die im Krieg gelebt haben, haben nicht immer das Grauen wirklich alle selbst miterlebt. Nein, dir ist gar nicht bewusst, was du da spielst.“


    Meike vergaß alles um sich herum. Er war Teil seines Traumes geworden. Er war Soldat in einem wirklich echten Krieg. Er sah Kameraden neben sich sterben. Er musste an einem Erschießungskommando teilnehmen. Er musste Gefangene in ein schreckliches Schicksal führen und er wurde selbst verwundet. Er trug einen Brief bei sich, den er der Frau seines gefallenen Kameraden übergeben sollte. Nein, das war nicht schön. Das war nicht die Welt, in der er leben wollte. 


    Der Alte kam wieder und befreite ihn aus dieser seltsamen Wirklichkeit.

    „Sind das deine Träume?“, fragte er weiter. „Ist es das, was du dir wünschst, wenn du in einer anderen Welt leben könntest, die du dir selbst aussuchen kannst?“

    „Nein, das was ich mache, ist doch nur ein Spiel, es ist nicht echt, nur eine virtuelle Welt.“

    „Mit deinen Gedanken formst du die Welt“, sagte der Alte wieder geheimnisvoll. „Womit spielt dein kleiner Bruder?“. 

    „Ach, der spielt gerne mit Baukasten“, winkte Meike ab. 

    „Warlich ich sage euch, wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“, sprach der Alte wieder geheimnisvoll.

    „Ja, ja, ich kenne den Spruch aus der Bibel. Den kennt jeder“, meinte Meike etwas verärgert. 

    „Ja, den kennt jeder, aber kaum jemand hat ihn verstanden. Wenn ihr das Elend aus eurer Welt verbannen wollt, was für einen Sinn macht es dann, spielerisch von seinen Ursachen begeistert zu träumen?“, fragte der Alte jetzt sehr ernst und vorwurfsvoll. 


    „2000 Jahre sind vergangen und ihr habt so gut wie nichts verstanden. Sollen wir jetzt wieder 2000 Jahre warten bis ihr etwas begreift? Weihnachten feiert ihr, weil ihr Geschenke bekommt. Aber was schenkt ihr Gott? Er würde sich über etwas mehr Erkenntnis freuen. Ihr feiert das Fest der Liebe und legt Spiele unter den Weihnachtsbaum, die in Bild und Film das Entsetzen spielerisch darstellen. Was ergibt das für einen Sinn?“, schimpfte der Alte plötzlich zornig. 


    Dann zögerte der Alte etwas. Er sah Meike geradezu durchdringend an und meinte weiter:

    „Wenn Du Mörder hasst, darfst du nicht im Spiel ein Mörder sein. 

    Wenn du es hasst bestohlen zu werden, darfst du nicht im Spiel ein Dieb sein.

    Wenn du Schläger nicht magst, dann darfst du in deinem Spiel nicht einer sein. 

    Wenn du es hasst ein Schwein zu sein, darfst du nicht in deinen Spielen begeistert eines darstellen. 

    Wenn du es hasst ein Verlierer zu sein, darfst du nicht auch noch in deinen Gedanken ein Verlierer sein. 

    Es sind deine Gedanken die dich formen. Sie leiten dich. Du spielst Krieg, und nachts träumst du von den Fronten. Du steuerst tagsüber das, was du des Nachts träumst. Und so formen deine Träume dein Handeln, deine Seele und dein Tun. Bei dem Einen mehr, bei dem Anderen weniger. Aber es ist ein stetiger Prozess, der dich formt. Du reagierst dich doch nicht ab, mit dem Spiel. Du machst es nur noch schlimmer. 

    Deine Gedanken sind stark. Reinige deine Gedanken. Reinigt alle eure Gedanken und ihr befreit die Welt. Eure Entschuldigung, dass das nur Spiele sind, befreit euch nicht von den geheimen Wünschen eurer Begierden.“


    Der Alte verschwand wieder und die Waffen schwiegen für einen Moment. Dann hörte Meike entsetzliche Schreie. Weiter unten hat ein Feind mit einem Feuerwerfer in dem Schützengraben für entsetzliche Tode und Qualen gesorgt. Meike spürte, wie ihn jemand schubste.


    „Deine Träume sind die Spiegel deiner Seele“, sagte jemand an einem Stand weiter unten. 


    Meike war immer noch auf dem Weihnachtmarkt. Luca hat ihn geschubst. „Schläfst du“, fragte er lachend. „Komm, es geht weiter.“

    Er schüttelte sich und rieb sich die Augen. Was war geschehen? Er brauchte eine Weile um zu verstehen, dass er immer noch auf dem Weihnachtsmarkt war. Die anderen hörten den Spruch nicht. Sie gingen weiter. Und wenig später sah auch Meike den Stand nicht mehr. War das jetzt nur ein Traum? 


    Als Meike zuhause war, baute er mit seinem Bruder eine große Brücke mit seinem Baukasten. Er bemerkte, dass er dabei lächelte. In seinem Spielen lächelte er nie. Er lachte vielleicht hämisch. Aber das Lächeln am Baukasten seines Bruders war irgendwie anders. Es war schöner, positiver. Und er schlief in dieser Nacht hervorragend gut. Der Alte ist nie wieder aufgetaucht, auch nicht in seinen Träumen. Hatte er sich das nur eingebildet? 


    Mit deinen Gedanken formst du die Welt. 

    Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder. 


    Diese Weisheiten begleiteten und formten Meike künftig mehr und besser, als alle Kriegsspiele dieser Welt.


  • Eine goldene Uhr

    Eine goldene Uhr 

    von Ruediger Janson 



    "Wunder? So ein Quatsch", meint Bernd lachend. "Ihr habt doch einen an der Waffel. So etwas gibt es doch nur im Fernsehen oder in der Bibel." 


    Acht Kegelbrüder sitzen in ihrer Stammkneipe und diskutieren über mystische und fantastische Phänomene. Es kommt nicht oft vor, dass sich die Freunde über solche Themen unterhalten. Doch nun sind sie mit Begeisterung bei der Sache. Es ist kurz vor Weihnachten. Ein Grund mehr für Bernd sich mal wieder über Menschen lustig zu machen die ernsthaft über solche Dinge nachdenken.


    "Wenn ich einen in der Krone habe erscheinen mir immer alle möglichen Geister. Aber ob das etwas mit Phänomenen zu tun hat wage ich noch zu bezweifeln", schreit er lachend durch das Lokal. 


    Hermann mischt sich ein: "Kinder, denkt doch mal nach!", beginnt er mit überheblicher Stimme zu erklären. "Für alle außergewöhnliche Ereignisse gibt es meist eine natürliche Erklärung. Nur weil wir es im Moment nicht verstehen, muss es sich nicht gleich um etwas übernatürliches handeln." 


    "Richtig", bestätigt Bernd knapp. 


    "Ich weiß", meint der dünne Ralf mit erregter Stimme. "Die einzigen Phänomene an die ihr glaubt sind Fußball, Autos, Frauen, und Flaschenbier." 


    Nach einer Weile ist die Diskussion so heftig geworden, dass sie kein Ende zu nehmen scheint. Ralf ist ins Kreuzfeuer geraten.


     "Es ist aber auch nicht ganz auszuschließen, dass es so etwas gibt", meint schließlich Thomas kleinlaut. 


    "Hört sich mal einer den kleinen Thomas an", meint Bernd lachend. "Der traut sich doch tatsächlich gegen uns zu diskutieren."


    Fünf Kegelbrüder reden nun amüsiert auf die beiden unterlegenen ein. Marco hält sich erst neutral. Er überlegt ob er eine Geschichte erzählen soll. Als Ralf und Thomas immer mehr in Bedrängnis geraten, meldet er sich zu Wort: 


    "Moment mal Freunde! Vielleicht sollte ich euch einmal eine Geschichte erzählen, bevor ihr weiter diskutiert." 


    Erstaunt schauen sie ihn an. 


    "Huh, hört mal her! Wir haben einen Märchenonkel in unserer Mitte", ruft Bernd. 


    "Ach vergesst es! War ja nur so eine Idee", meint Marco ausweichend. 


    "Nee Nee Junge, jetzt raus damit", fordert Hermann. 


    "Ja, wir hatten heute ja noch keine Gute Nacht Geschichte gehört", lacht Bernd laut, so dass wieder die ganze Kneipe auf die Gruppe aufmerksam wird. 


    "Hätte ich doch nur meinen Mund gehalten", hört man Marco sagen. "Aber gut, wenn ihr es unbedingt wollt werde ich euch die Geschichte erzählen." 


    Marco atmet tief durch. Dann nippt er an seinem Bier, und fängt mit geheimnisvoller Stimme an zu erzählen: Es war lange, bevor ich meine Frau kennen lernte. Wieder einmal stand Weihnachten vor der Tür, doch das nützte mir nicht viel. Dieses Fest hatte mir nichts zu bieten. Die Straße war mein Zuhause geworden. Freunde, zu denen ich hätte gehen können, hatte ich nicht. So kam es, dass ich an diesem Heiligabend zum ersten mal allein war. Meine Familie wollte nichts mehr von mir wissen, und sonst hatte ich auch niemand mit dem ich das Fest feiern konnte, außer meiner Großmutter. Doch die war eine alte gebrechliche Frau. Da wollte ich nicht hin. Ich fragte mich ständig wieso ich überhaupt feiern wollte. Ich schlenderte durch die Straßen und spürte eine schreckliche Einsamkeit. Es war bereits dunkel, und die Geschäfte, Kneipen und Lokale hatten schon lange geschlossen. Ich wollte unter Menschen sein. Doch es war niemand zu sehen. Es war niemand da den ich fragen konnte wo hier noch was los ist. Ich war allein auf der großen weiten Welt. Wenn doch nur jemand von meiner alten Bande da wäre, dachte ich. Doch die hatten an diesem Tag sicher besseres zu tun als hinter mir herzulaufen. Ich schlenderte weiter allein durch die Straßen. Ich hörte Kinder lachen, und wo immer ich vorbeikam hört ich Menschen Weihnachtslieder singen. Ich redete mir ein, dass ich dieses Fest hasse, doch das half nichts gegen mein Alleinsein. Durch die Fenster einiger Häuser konnte ich reich geschmückte Weihnachtsbäume sehen. Sollte ich vielleicht doch zu Großmutter gehen? Ich fror, war hungrig und hatte keinen Platz zum schlafen. Ich setzte mich auf eine Parkbank und trank ausgiebig Cognac. Dieses Geschenk hatte ich mir selbst gemacht. Dann entschloss ich mich doch zu Großmutter zu gehen. 


    "Zu schwanken meinst du wohl", unterbricht Bernd amüsiert. 


    Marco lässt sich nicht stören und berichtet weiter: Sie war an Heiligabend auch oft allein, und sie freute sich sicher über meinen Besuch, dachte ich. Mich plagte mein schlechtes Gewissen, denn ich hatte noch nie viel nach der alten Frau gefragt. Wie wird sie wohl reagieren, wenn ausgerechnet ich sie jetzt besuche. Als ich ihre Wohnung erreichte, zögerte ich noch einen Weile. Doch dann entschloss ich mich doch zu ihr zu gehen. Als sie mich sah begrüßte sie mich freudig und zog mich an der Hand in die Wohnung. Ich war mehr als überrascht. Mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. 


    "Ich wollte eigentlich nicht lange bleiben", log ich. "Ich wollte nur mal sehen wie es dir geht" 


    "Du wirst doch nicht weg gehen wollen", sagte die alte Frau empört. "Wo willst du denn hin?" 


    Sie wusste über meinen schlechten Lebenswandel genau Bescheid. 


    "Ich warte schon die ganze Zeit auf dich", meinte Sie geheimnisvoll. 


    "Wieso wusstest du, dass ich komme?", fragte ich erstaunt. 


    "Ach, das hab ich mir nur so gedacht", meinte Großmutter. 


    Ich stand in ihrer kleinen Wohnung und staunte. Der Tisch war reichhaltig gedeckt. In einer Ecke stand ein wunderschön leuchtender Weihnachtsbaum, und aus einem alten Plattenspieler ertönte schöne weihnachtliche Musik. Nachdenklich setzte ich mich an den Tisch der für zwei Personen gedeckt war. Vorsichtig fragte ich noch einmal nach: 


    "Erwartest du etwa noch Besuch?" 


    "Nein, nur dich", antwortete sie lächelnd. 


    Zum ersten mal in meinem Leben, machte ich mir ernsthafte Gedanken um das Leben meiner Großmutter. Großvater war schon zehn Jahre tot, und meine jüngste Tante hatte vor längerer Zeit geheiratet. Großmutter musste oft einsam gewesen sein, und das nicht nur an Heiligabend. 


    "Nun wirst du erst einmal hier in meiner warmen Stube bleiben mein Junge", meinte Großmutter. "Du kannst dich mal wieder so richtig satt essen, und ein Bad kannst du auch nehmen, du bist ja ganz schmutzig." 


    Großmutter steckte meine Kleider in die Waschmaschine und gab mir einen Schlafanzug meines Großvaters. 


    "Ich habe hier eine Kleinigkeit für dich besorgt", sagte Großmutter und überreichte mir mit zittrigen Händen ein Geschenk. 


    Ich sah sie an und hatte dafür nur eine Erklärung. Meine Großmutter war wohl nicht mehr ganz Herr ihrer Sinne. Woher wollte sie wissen, dass ich komme? Ich hatte sie in den letzten Jahren am wenigsten besucht. Ich öffnete das Geschenk. Es war eine goldene Armbanduhr. Ich hatte vor langer Zeit einmal in ihrer Gegenwart erwähnt, dass ich mir eine solche Uhr wünsche.


     "Gefällt sie dir?", fragte sie mich mit freudiger Stimme. "Ich dachte ich schenke dir etwas besonderes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du in deiner Zukunft auf solch schöne Dinge verzichten willst." 


    Ich sah meine Großmutter erstaunt an. Die goldene Uhr war wunderschön, aber sie passte nicht mehr zu meinem Leben. Meine Großmutter beschäftigte sich mit belanglosen arbeiten, dabei redete sie scheinbar wirres Zeug: 


    "Ich kann dich schon verstehen mein Junge. Viele Arbeiten sind zu schwer für dich. Du bist halt immer schon etwas gebrechlich gewesen, und Büroarbeiten kommen ja nicht in Frage, weil dir niemand in der Schule geholfen hat. Die ganze Welt war immer gegen dich. Niemand hat es wirklich gut mit dir gemeint." 


    Ich wunderte mich immer mehr über Großmutter. Gebrechlich war ich nun wirklich nicht. Ich war immer ein ganzer Kerl gewesen. 


    "Weißt du, der Sohn von den Lehmanns, der Ludwig, der ist immer dann krank, wenn er arbeiten soll. Sonst ist der kerngesund. Ich finde das ungerecht. Der Ludwig könnte arbeiten und will nicht, und du willst arbeiten und du kannst nicht. Aber so lange ich lebe werde ich für dich sorgen mein Junge. Du kannst doch nichts dafür, dass du in diesem Leben so hilflos bist." 


    Großmutters Worte ließen mich über vieles nachdenken. Mein Blick haftete an den brennenden Kerzen des Adventskranzes. Er stand auf einem Ecktisch neben einer wunderschönen Holzkrippe. An einem anderen Tag hätte ich die alte Frau vielleicht gar nicht ernst genommen. Doch an diesem Tag war alles anders. Großmutter redete, als ob ich schon morgen alles vergessen hätte. Ich wurde immer ruhiger und müder. Großmutters Worte wurden immer leiser. Sie schienen sich immer weiter von mir zu entfernen. Es war so gemütlich in Großmutters weihnachtlich geschmückter Stube. 36 Stunden später erwachte ich aus einer tiefen Bewusstlosigkeit. Ich begriff nicht was passiert war. Ich lag in einem Krankenbett. Meine Mutter hielt meine Hand, und schaute mich besorgt an. 


    "Bleib ruhig liegen", meinte sie. "Man hat dich an Heiligabend auf einer Parkbank gefunden. Du warst schon halb erfroren."


     "Das kann doch nicht sein", sagte ich erstaunt. "Ich habe doch eben noch mit Großmutter Weihnachten gefeiert." 


    Mutter schaute mich mit großen Augen an und meinte: "Du musst dich irren Marco. Großmutter starb vorige Woche. Sie ist friedlich in ihrem Bett eingeschlafen. Heiligabend durfte sie dieses Jahr nicht mehr erleben." 


    Ich konnte nicht glauben was Mutter da erzählte. Alles war doch so real. Ich erinnerte mich doch noch an Großmutters Worte. Sie hatte so viel gesagt. Als wir Großmutters Wohnung räumten, glaubte ich viele Details aus meinem angeblichen Traum wieder zu erkennen. Ich habe nie begriffen was an diesem Heiligabend mit mir geschah.  


    "Du hast wohl doch zu viel Cognac getrunken", meint Bernd lachend. "Nach fünf Schluck aus der Pulle dringst du doch in Galaxien vor die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat." 


    "Glaubt doch was ihr wollt! Ich habe beim Räumen ihrer Wohnung ein Weihnachtsgeschenk gefunden. Mein Name stand darauf. Nun ratet mal was darin war?" 


    "Ein Buch von Münchhausen", lacht Bernd so laut, dass erneut alle Gäste der Kneipe mit lachten.


    "Nee", sagt Marco lächelnd und zeigt auf seinen linkes Handgelenk. "Diese goldene Uhr."

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